Wie oft erleben Sie gute Debatten unter oder mit Christen? Wann sollen Kirchen reden, wann schweigen? Und was sollte eine gute Debatte bewirken? So lauteten einige der Fragen, die im IDEA-Podium über die christliche Debattenkultur gestellt wurden. Daniela Baumann, die Kommunikationsbeauftragte der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA), und der ehemalige Kommunikationsleiter des Bistums Chur Giuseppe Gracia diskutierten über Chancen, Anfeindungen und anhand konkreter aktueller Themen.
«Gute, echte Debatten gehen ja immer ein wenig an die Substanz. Doch das erlebe ich heute fast nicht mehr. Tiefere, existenziellere Fragen werden wie ausgeblendet», sagte Giuseppe Gracia. Man spiele mehr auf die Person, statt sich mit dem Argument auseinanderzusetzen. Diese Entwicklung sei bedenklich. Daniela Baumann beobachtet ebenfalls eine zunehmende Vermischung zwischen Sach- und Beziehungsebene. Allerdings erlebe sie auch gute Debatten unter Christen: «Im geschützten Rahmen eines Hauskreises oder in meinem beruflichen Umfeld bei der SEA ist es natürlich einfacher. Wir gehen schwierigen Fragen nicht aus dem Weg. Wir können es aber auch stehen lassen, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind.»
Zum Zitat «Kirchen sollen schweigen, wenn bei einer politischen Frage der Bezug zum Evangelium fehlt» von Theologieprofessor Ralph Kunz erläuterte Daniela Baumann: «Es muss ein Kriterium sein, ob zentrale christliche Werte tangiert sind oder nicht. Es gibt heute Fragen, wo das klar der Fall ist und andere, wo man als Kirche das Feld besser andern überlässt.» Giuseppe Gracia differenzierte dabei zwischen den einzelnen Gläubigen und der Leitung der Kirche. Die Gläubigen könnten immer reden, wie jeder andere Bürger auch, zu jedem Thema, aber im eigenen Namen. Die Bischöfe hingegen sollten zurückhaltend sein in Fragen, die eine Vielfalt von Meinungen zulassen. Diese sollten nur dann reden, wenn das christlich gesehen sehr klar sei.
Zur Sprache kam auch die kirchliche Stimme zu konkreten Themen wie die Corona-Impfung, Genderismus oder Mission. Zum Schluss sind sich Daniela Baumann und Giuseppe Gracia einig: «Wir sollten die Auseinandersetzung wagen, sachlich argumentieren und auch eingestehen, dass niemand die volle Erkenntnis hat.» Denn, eine gute Debatte könne auch Einheit fördern, indem man sich darauf besinne, was einen eint.
Das ganze Interview im Magazin IDEA