Wie steht es um die Barrierefreiheit von Kirchen?

Was braucht es, damit eine Kirche wirklich barrierefrei ist? Diese Frage stellte sich Jacoba Denker im Rahmen ihrer Masterarbeit «Barrierefreiheit und Kirche». Ihre quantitative Analyse zur Barrierefreiheit von Kirchen in der Stadt Winterthur zeigt, in welchen Bereichen ein besonders grosser Handlungsbedarf besteht.

«Ich habe mir vorher nie Gedanken gemacht, wie es in der Kirche aussieht», erzählt Jacoba Denker. Ihr Interesse für barrierefreie Kommunikation entstand während des Studiums in Angewandter Linguistik. Da sie in der Kirche aufgewachsen ist, entschied sie sich, ihre Masterarbeit der Frage zu widmen, welche Massnahmen Kirchen umsetzen, um für Menschen mit einer Behinderung zugänglich zu sein.

Grosse Lücken im sprachlichen Bereich

Praktisch alle untersuchten Kirchen gaben an, rollstuhlgerecht zu sein. «Ich bin mir allerdings unsicher, ob das die Realität widerspiegelt», bemerkt Jacoba Denker. Es sei nämlich nicht nur eine Frage der Rampen, sondern beispielsweise auch der Türbreiten und der Bewegungsfreiheit im Inneren. Sie vermutet, dass in einigen Kirchen dieses Wissen noch zu wenig vorhanden ist.

Dennoch scheint im baulichen Bereich das Bewusstsein für die verschiedenen Bedürfnisse stärker als im sprachlichen Bereich, dort gebe es noch grosse Lücken: «Leichte Sprache oder Gebärdensprache werden kaum angeboten», so die Sprachwissenschaftlerin.

Auch im digitalen Bereich sieht sie Nachholbedarf. Viele Webseiten von Kirchen seien noch nicht barrierefrei. Hier könnten einfache Massnahmen wie ausreichende Kontraste, eine gut lesbare Schriftart und eine leicht verständliche Sprache helfen, die Zugänglichkeit zu verbessern.

Hindernisse für Barrierefreiheit

In ihrer Untersuchung fragte Jacoba Denker auch, welche Hindernisse die Kirchen an der Umsetzung weiterer Massnahmen hindern. «Der Denkmalschutz und bauliche Einschränkungen sind oft ein grosses Problem», sagt sie. Hinzu kommen finanzielle Engpässe oder der Mangel an Personal und Wissen. Laut einigen Kirchen fehlt auch ein klares Bedürfnis, da keine Menschen mit einer Behinderung in der Gemeinde sichtbar seien. Die Studienabsolventin fragt sich allerdings, ob die Abwesenheit von Menschen mit einer Behinderung der Grund oder nicht eher die Konsequenz ist.

Es wäre aus Sicht von Jacoba Denker ein starkes Zeichen, wenn die Kirche schon im Vorfeld Barrieren abbauen würde, anstatt erst zu reagieren, wenn eine konkrete Nachfrage oder Druck aus der Politik besteht. Die Kirche habe die Möglichkeit, der Gesellschaft vorzuleben, wie eine inklusive Gemeinschaft aussehen kann.

Empfehlungen und Lösungsansätze

Eine der Haupterkenntnisse der Arbeit ist, dass Barrierefreiheit nicht immer einfach messbar ist. «Man kann schauen, ob es eine Rampe gibt oder in Gebärdensprache gedolmetscht wird», sagt sie. Doch wie offen eine Kirche wirklich für Menschen mit einer Behinderung ist, lässt sich schwer erfassen.

Bei der Frage, welche Massnahmen priorisiert werden sollten, plädiert die Autorin für eine individuelle Betrachtung. «Jede Kirche muss schauen, welche Ressourcen vorhanden sind und was am dringendsten ist», erklärt sie. Besonders wichtig sei es, das Bewusstsein für die Bedürfnisse anderer zu schärfen.

Zum Schluss weist Jacoba Denker darauf hin, dass es Anlaufstellen gibt, die den Kirchen helfen können, Barrieren abzubauen: beispielsweise die Behindertenseelsorge Zürich und die SEA-Arbeitsgemeinschaft «Glaube und Behinderung».

Lydia Germann war bis im Sommer 2024 Praktikantin Medien und Kommunikation bei der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA.

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