Ein Kommentar von Andi Bachmann-Roth, Co-Generalsekretär der SEA
«Es ist gewiss eine Tatsache von unerschöpflicher Trageweite, dass unser Herr nicht ein Buch, auch kein formuliertes Bekenntnis, keinerlei Gedankensysteme, keine Lebensregel, sondern eine sichtbare Gemeinde hinterliess. Ich bin überzeugt, dass wir Protestanten nicht genug gerade dieser Tatsache bedenken können. Er hat Sein ganzes Heilswerk dieser Gemeinde anvertraut.»[1]
Dieses Magazin ist ein Beitrag, diese Tatsache zu feiern und zu bedenken. Feiern, weil es ein unfassbares Privileg ist, Teil jener jahrtausendealten Gemeinschaft zu sein, in der und durch die Gottes neue Welt erfahrbar wird. Bedenken, weil uns, die wir Kirche mitgestalten, eine grosse Verantwortung übergeben ist. Repräsentieren wir als Pilgervolk Gottes Heil und seine Gnade auf angemessene Weise? Die Autoren in diesem «SEA Fokus» haben aus verschiedenen Perspektiven dargelegt, wie diese sichtbare Gemeinde aussieht oder aussehen könnte. Folgende Entwicklungen und Themen wollen wir als Allianz ganz besonders unterstreichen:
Als Allianz glauben wir, dass die Kirche ihre beste Zeit noch vor sich hat. Auch wenn sich die Kirche im Westen religionssoziologisch gesehen im rasanten Niedergang befindet, sind wir dennoch sehr optimistisch. Denn mit dem durchaus schmerzhaften Schrumpfen fällt auch manches weg, was sich als scheinbar christlich ausgegeben hat, aber mit authentischem Christsein wenig zu tun hat. Heute muss niemand mehr glauben. Wer Christ wird, macht dies aus einer inneren Überzeugung und Motivation heraus und nicht aufgrund eines gesellschaftlichen Druckes. Entschiedene Nachfolge rückt so wieder ganz neu in den Fokus. So kann die Kirche ein alternatives, gelingendes Leben präsentieren und ihre gesellschaftsumwandelnde Kraft entfalten.
Wir sind zuversichtlich, weil die Kirche gerade in der Schweiz dabei ist, ihre Mission auf ganz neue Weise als gemeinsamen Auftrag zu verstehen. Ortsgemeinden, Ausbildungsstätten, christliche Sozialwerke oder Missionsorganisationen – sie alle sind Teil von Gottes umfassender Kirche. Der Auftrag ist für einzelne zu gross. Gemeinsam jedoch können wir den Lahmen zu Jesus tragen, so wie die vier Freunde in Markus 2. Als Spurgruppe «Zukunft Mission» durchleben wir gerade, wie eine neue Art des Miteinanders als ein Leib aussehen könnte, und ringen um ein gemeinsames Verständnis unserer Mission. In vielen Allianz-Sektionen wird ein solches lebendiges Miteinander bereits gelebt. Wir sind begeistert von den lokalen Netzwerken, die sich ergänzende und stärkende Ökosysteme des Evangeliums bilden. Geboren aus dem Gebet und mit einer geteilten Vision für die eigene Region.
Für die Allianz stehen zwei Gruppen besonders im Fokus des missionalen Miteinanders der Kirche: zum einen die ca. 40 Prozent der Menschen in der Schweiz, die einen interkulturellen Hintergrund haben. Mit unserer Arbeitsgemeinschaft Interkulturell investieren wir viel in diesen Bereich und sehen wachsendes Vertrauen. Eine andere stark wachsende Gruppe sind die Menschen ab 55 Jahren. Mit der Arbeitsgemeinschaft Perspektive 3D fördern wir eine Bewegung, die mündiges und glaubensstarkes Älterwerden prägt. Wir träumen von einer Kirche, in der ein versöhntes Miteinander über kulturelle und generationelle Grenzen hinweg erfahrbar ist.
Wir freuen uns – in Zeiten grosser Einsamkeit – an lokalen Gemeinschaften, die den Glauben einfach, konkret und überkonfessionell leben. Ein gemeinschaftlicher Glaube, der mitten im Alltagsleben verankert ist. Ein Glaube, bei dem Beruf, Familie und Gebet sich ganz natürlich verbinden. Ein Glaube, der für die Menschen in der Nachbarschaft Hände und Füsse bekommt.
Vor allem aber sind wir zuversichtlich, weil die Gemeinde Gottes Angelegenheit ist. Gott selbst hat die Gemeinde durch seinen Geist ins Leben gerufen, er erneuert sie und wird sie ans Ziel bringen. Wie es Artikel 7 der Glaubensbasis der SEA formuliert:
«Jesus Christus baut seine weltweite Gemeinde. Er beruft und befähigt die Gläubigen, das Evangelium zu verkündigen und liebevoll und gerecht zu handeln.»
[1] Newbigin, Lesslie / Graf, Arthur / Metzger, Wolfgang: Von der Spaltung zur Einheit. Ökumenische Schau der Kirche. 1956, Basler Missionsbuchh, 36.
Autor: Andi Bachmann-Roth