Beide studieren an der Höheren Fachschule Theologie, Diakonie, Soziales (TDS) in Aarau, beide sind kirchlich engagiert, beide sind schon als Kind mit dem Glauben in Berührung gekommen. Trotz diesen Gemeinsamkeiten blicken Isabelle Baltensperger und Angela Muhmenthaler unterschiedlich auf ihre Erziehung und ihr Aufwachsen im Elternhaus und der Kirche zurück. Wie – das erzählen sie im Folgenden.
Isabelle Baltensperger: «Es war normal, Gott zu kennen»
Ich würde sagen, dass ich christlich erzogen worden bin. Meine Eltern haben mir christliche Werte vermittelt. Weil zum Beispiel Vergebung sehr wichtig war, bin ich überhaupt nicht nachtragend und kann anderen gut vergeben. Auch Hilfsbereitschaft und Verständnis für andere hatten einen hohen Stellenwert. Meine Schwester und ich erhielten viel Liebe und Wertschätzung. Wenn ich Mist gebaut hatte, fühlte ich mich trotzdem geliebt. Es war okay, mal eine Regel zu brechen. Ich wurde weder beschimpft noch geschlagen, aber die Mutter zeigte klar die Grenzen auf. Da wusste ich: Es war nicht gut, was ich getan hatte, und machte den gleichen Mist nicht noch einmal – dafür einen anderen (lacht).
Wir sangen zuhause christliche Lieder, beteten als Familie. Ich erinnere mich an eine Kinderbibel mit Bildern verschiedener biblischer Geschichten, die wir häufig anschauten. Zudem besuchte ich von klein an die Sonntagsschule der Kirche. Für mich war es normal, dass die Menschen um mich herum Gott auch kennen. Ich wuchs sehr behütet auf, in einer «heilen Welt». Deshalb bin ich wohl manchmal etwas naiv. Zum Beispiel vertraue ich anderen einfach und rechne überhaupt nicht mit bösen Absichten.
Ich habe als Kind zudem nicht gelernt, kritische Fragen über den Glauben zu stellen. Wir verbrachten als Familie viel Zeit miteinander, aber über den Glauben diskutierten wir nie. In dieser Hinsicht würde ich meine eigenen Kinder dereinst mehr herausfordern, als es meine Eltern getan haben, und sie fragen, was sie denken.
Ich hinterfragte meinen Glauben erstmals überhaupt, als ich am TDS zu studieren begonnen hatte. Da ich bereits ein starkes Glaubensfundament hatte, stürzte mich dies nicht in eine Krise. Ich hatte meinen «Durchhänger» bereits in der Teenager-Zeit. Ich investierte sonst immer viel Herzblut in die Kirche, aber es gab zwei Jahre, da hatte ich keine Lust auf Kirche. Ich besuchte den Konfirmationsunterricht, weil ich musste, und engagierte mich ohne Leidenschaft.
Aktuell muss ich auch sagen: Mein Glaube war schon stärker als heute. Er leidet unter dem Studium und der Tatsache, dass die Arbeit in der Kirche, die ich früher freiwillig gemacht habe, heute mein Beruf ist. Ich finde es mega schwierig, meine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Wenn ich unter Druck die Bibel studiere, weil eine Prüfung ansteht, oder einen Kindernachmittag vorbereite, weil das nun mal mein Job ist, geht etwas verloren. Doch obwohl ich momentan kaum Zeit habe für mein persönliches Glaubensleben, kaum in die Gottesbeziehung investiere, erlebe ich: Gott ist da, er investiert in mich, öffnet mir Türen.
Bis heute habe ich auch eine sehr gute und entspannte Beziehung zu meinen Eltern. Sie ist sogar noch besser geworden, seit ich ausgezogen bin. Ich kann mit allem nach Hause kommen und über alles reden. Daneben habe ich ein «Mami» in der Kirche: eine Frau, die mich von klein auf kennt und für meinen Glaubensweg prägend war. Sie ist mir ein Vorbild und inzwischen haben wir viele Sommerlager gemeinsam geleitet.
Isabelle Baltensperger, 25 Jahre, studiert an der Höheren Fachschule TDS Aarau im 2. Jahr Sozialdiakonie mit Gemeindeanimation. Parallel zum Teilzeitstudium arbeitet die gelernte Kauffrau in der Kirchgemeinde Frauenfeld. Sie ist von zuhause ausgezogen und lebt in einer eigenen Wohnung.
Angela Muhmenthaler: «Mein Glaubensweg ähnelt einer Achterbahnfahrt»
Ich komme nicht aus einem christlichen Elternhaus, aber ich habe Gott durch ein Adonia-Lager sehr früh, mit fünf Jahren, kennengelernt. Eigentlich sind meine Mutter und ich nur deshalb hingegangen, weil noch eine Lagerköchin gesucht war und eine Freundin meine Mutter angefragt hatte. Weil sich meine Eltern damals schon hatten scheiden lassen, verbrachte ich viel Zeit bei einer anderen, christlichen Familie. An den Mittwochnachmittagen besuchte ich häufig ein kirchliches Angebot. Und – heute fast nicht mehr vorstellbar – in der 1. und 2. Klasse hatte ich eine Lehrerin, die mit uns christliche Lieder sang. Später hatte ich tolle Religionslehrpersonen. Besonders eine, die heute meine Praxisausbildnerin ist, hat meine Glaubensentwicklung geprägt. Gerade in den Jahren um die Konfirmation hat sich mein Glaube gefestigt. So hatte ich von zuhause aus zwar keine christliche Erziehung, aber sie blieb mir doch nicht verwehrt.
Im Rückblick kann ich sogar sagen, dass ich diesbezüglich einen grossen Einfluss auf meine Mutter hatte; ich habe sie christlich erzogen (lacht). Sie war stets sehr offen, aber hatte keinen grossen Bezug zur Kirche. Durch mich fand sie mit der Zeit vermehrt den Weg dahin und heute engagiert sie sich auch aktiv.
Wenn auch nicht aus christlicher Motivation, so hat mich meine Mutter doch unendlich geliebt. Sie liebte mich sozusagen für zwei, da ich keinen Vater hatte. Wohl deshalb kann ich heute anderen viel Liebe weitergeben. Ebenfalls wichtige Werte waren Hilfsbereitschaft und Willensstärke. Meine Mutter lehrte mich durch ihre nicht einfache Situation, immer dafür zu kämpfen, was einem wichtig ist. Noch heute haben wir ein sehr gutes, inniges Verhältnis.
Vielleicht gerade wegen der nicht vorhandenen Beziehung zu meinem leiblichen Vater war Gott für mich immer wie ein Vater. Zudem war ein Lebenspartner meiner Mutter sehr wichtig für mich, ebenfalls ein Vater. Als er sehr jung starb, zog es mir den Boden unter den Füssen weg. Ich klagte Gott an, dass er mir schon wieder einen Vater weggenommen hatte. Im Nachhinein sehe ich aber auch Gottes Versorgung: Das Unglück geschah, als meine Mutter und ich wieder in einem Adonia-Lager waren – umgeben von Menschen, die sich um uns kümmerten. Am Ende bin ich stärker aus diesem Erlebnis herausgekommen.
Es ist typisch für meinen Glaubensweg insgesamt: Er ist wie eine Achterbahnfahrt, aber mein Glaube ist am «Streiten» mit Gott immer gewachsen. Mittlerweile spüre ich schon inmitten einer schwierigen Situation, und nicht erst hinterher, dass Gott mich trägt. Ich bin nicht in einer «heilen Welt» aufgewachsen und kann nicht nur an das Gute glauben. Diese Grundhaltung hilft mir vielleicht im Umgang mit Schicksalsschlägen.
Angela Muhmenthaler, 21 Jahre, studiert an der Höheren Fachschule TDS Aarau im 2. Jahr Gemeindeanimation. Parallel zum Teilzeitstudium arbeitet die gelernte Kleinkinder-Erzieherin in der Kirchgemeinde Leutwil-Dürrenäsch. Sie wohnt noch zuhause bei ihrer Mutter.

Das Gespräch wurde aufgezeichnet von Daniela Baumann. Sie ist Kommunikationsbeauftragte der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA.