Vom Privileg der Teilnahme an Gottes Mission

Der dreieinige Gott selbst ist der Initiator, Hauptakteur und Vollender seiner Mission. Die Kirche ist Teilnehmerin. Sie ist eingeladen, ja ihr ist sogar befohlen, innerhalb der Geschichte von Gottes Welt mitzuarbeiten. Jeder einzelne Christ ist aufgerufen, teilzunehmen an dem, was Gott schon tut und durch seinen Geist wirkt. Lassen wir uns auf Gottes Mission ein?

Der Begriff «Missio Dei» (lateinisch für «Mission Gottes» oder «Sendung Gottes») wurde im 20. Jahrhundert vor allem durch Missionstheologen wie David Bosch, Lesslie Newbigin und Georg F. Vicedom geprägt. Dabei spielten ein verstärktes Infragestellen von mit Kolonialismus verknüpfter Mission, das wachsende Selbstbewusstsein der Kirchen im Süden sowie eine Erweiterung des Missionsbegriffs wichtige Rollen. Vicedom formulierte als einer der ersten, dass der dreieinige Gott selbst der Handelnde in der Kirche und der Welt ist. Die Kirche ist nicht (mehr) Hauptakteurin, sondern Teilnehmerin in der Mission Gottes. Damit wurde der Begriff zur klaren Abgrenzung und wichtigen Erweiterung gegenüber «Missio Ecclesiae» (Sendung der Kirche), auch wenn die Definitionen variieren.

Gott selbst ist in diesem trinitarischen Missionsverständnis beides, sendend und ausgesandt.[1] Gott, der Vater, geht auf Adam und Eva zu, die sich schämenden und versteckenden Menschen im Garten Eden. Er sendet seinen Sohn Jesus Christus, der gehorsam in diese Welt kommt. Vater und Sohn senden den Heiligen Geist. Und Jesus sendet uns, als bevollmächtigte und geisterfüllte Zeugen: «Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.» [2]

Hinwendung und Sendung
Unumstritten ist, dass Missio Dei das Denken über Mission in den letzten Jahrzehnten verändert und die Trinität wieder in den Fokusgerückt hat. Lange sah sich die (westliche) Kirche als Akteurin, oft in Verbindung mit Kolonialmächten, das Evangelium dorthin zu bringen, wo Jesus noch unbekannt ist. Das ist richtig und wichtig. Missio Dei betont nun, dass der dreieinige Gott selbst in dieser Welt unterwegs ist. Er ist Hauptakteur und er wirkt schon lange vor uns unter den «Unerreichten». Die Kirche, das Volk Gottes, ist beauftragt, privilegiert und bevollmächtigt an Gottes Mission teilzuhaben.

Für den Inder Jacob Kavunkal [3] hat Missio Dei als «Sendung Gottes» einen zu starken Beigeschmack von Kolonialismus. Er bevorzugt den Begriff «Extensio Dei» (Hinwendung Gottes). Dieses Hinwenden Gottes zu den Menschen ist durch das Alte Testament hindurch erkennbar und findet seinen Höhepunkt in der Menschwerdung Gottes durch seinen Immanuel. Hinwendung ist ein integraler Bestandteil der Missio Dei. «Gott sieht» geht dem «Gott sendet» voran.

Die zentrale Motivation der Missio Dei ist Gottes Liebe. Gott ist Liebe. [4] Gott liebt nicht nur, er ist die Liebe. Und da in ihm keine Veränderung ist [5], zeigt er sich in der ganzen Bibel in seiner Treue zu seinen Versprechen und seiner innewohnenden Barmherzigkeit [6] gegenüber den Menschen und der ganzen Schöpfung.

Gott hat alle Menschen im Blick
Gottes Mission ist schon deutlich im Alten Testament zu erkennen. «Ich will dich segnen … und du wirst ein Segen sein … (für) alle Geschlechter.» [7] Dieser Auftrag an Abraham zeigt etwas von der inneren Motivation Gottes als ein persönlicher Gott mit einer klaren Absicht. Seit Beginn der Welt hat Gott alle Völker im Blickfeld und will, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen [8] und ihn anbeten [9].

Konsequenterweise berichten daher alle Evangelien von einem Auftrag Jesu an seine Nachfolgerinnen und Nachfolger nach seiner Auferstehung. Missio Dei beinhaltet ein Überschreiten von Grenzen, ist aber nie aufdringlich. Gesandte gehen und lassen sich auf neue Situationen und Menschen ein. Diese Sendung basiert auf Jesu Autorität und seinem Versprechen, immer mit uns zu sein. Unser Auftrag ist somit, Menschen aus allen Ethnien zu lehren und anzuleiten, seine Nachfolger zu werden. [10]

Einladung und Befehl
Gottes Mission ist untrennbar mit ihm und seinem Wesen verbunden. Seit dem Sündenfall hat sie die Erlösung von Gottes Schöpfung und das Aufrichten seines Königreiches zum Ziel. [11]Als seine Freunde [12] sind wir eingeladen, innerhalb der Geschichte von Gottes Welt mitzuarbeiten. Zugleich wird uns unsere Teilnahme auch befohlen. [13]Diese beiden Aspekte stehen in einer gewissen Spannung zueinander.

Wenn wir Gott als Initiator, Hauptakteur und Vollender der Missio Dei sehen, relativieren sich auch unsere Machbarkeitsansprüche und unsere Vorliebe für Zahlen und Statistiken. Wie Jesus nur tat, was er den Vater tun sah [14], so sollen wir als Volk Gottes Täter seines Wortes sein und seine Werke tun. Missio Dei kann uns helfen, gelassen und vertrauensvoll zu sein.

Ein Abenteuer im Alltag
Mission gehört zutiefst zum Wesen der Kirche. [15] In vielen Gemeinden scheint Mission etwas zu sein, was nur einige zu tun wählen. Missio Dei offeriert eine echte Alternative. Mission bedeutet nun, dass ich – dort, wo ich bin – teilnehme an dem, was Gott schon tut. Dadurch wird sie zu einem spannenden Abenteuer mit Gott im Alltag. Ich entdecke, wo er durch seinen Geist schon am Wirken ist. Durch meinen einzigartigen Beitrag darf ich meine Nächsten durch Worte und Taten einen Schritt näher in die Gegenwart Gottes begleiten.

Missio Dei fordert uns auf, Menschen anderer Religionen und Milieus respektvoll und demütig zu begegnen. Da Gott der Handelnde in jeder Kultur und Subkultur ist, können wir lernen, Gott im anderen zu entdecken. Dabei schämen wir uns unseres dreieinigen Auftraggebers nicht. Die Folge daraus ist, dass wir mehr und mehr das Wirken des Heiligen Geistes im anderen erkennen und daran teilnehmen. Christliche Mission mit den Menschen setzt den Schwerpunkt auf das Leben der Wahrheit [16] und ein Wandeln im Licht [17]. Mission zu den Menschen wird zu Mission mit Gott und den Menschen.[18]

Als Teilnehmende in der Missio Dei sind wir mit klaren Anforderungen an unser Verhalten und unsere Integrität konfrontiert. «Ihr sollt heilig sein, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig!» [19] Wir entscheiden mit, ob Gottes Botschaft auf unsere Mitmenschen anziehend oder abstossend wirkt. Dabei ist nicht Fehlerlosigkeit im Mittelpunkt, sondern unser Umgang mit Versagen, Schuld, Scham und Verletzungen. Erleben wir Gottes Gnade und Vergebung? Fliessen daraus Barmherzigkeit und Versöhnung?

Der dreieinige Gott handelte in der Geschichte, ist in unserer Zeit tätig und wird weiterhin am Werk sein. Gott nimmt uns mit hinein in seine Mission. Diese ist in Gott verankert, hat alle Menschen aus allen Völkern im Blick und ist Ausdruck seines liebevollen und barmherzigen Handelns gegenüber seiner Schöpfung.

Autor: Markus Dubach

[1] vgl. Vicedom, Georg F.: Missio Dei. Einführung in eine Theologie der Mission. C. Kaiser Verlag, 1958.
[2] Joh 20,21.
[3] vgl. Kavunkal, Jacob: Extensio Dei: The need to go Beyond Missio Dei. 2013, www.missionswissenschaft.eu/media/missionswissenschaft/docs/Dateien-zu-Verbum-svd/Kavunkal_VerbumOnline.pdf (3.4.2021).
[4] vgl. 1 Joh 4,16.
[5] vgl. Jak 1,17.
[6] vgl. Hardmeier, Roland: Missionale Theologie. Evangelikale auf dem Weg zur Weltverantwortung. Neufeld Verlag, 2015, 45.
[7] 1 Mose 12,2-3.
[8] vgl. 1 Tim 2,4.
[9] vgl. Ps 47,1-2; Off, 7,9-12.
[10] vgl. Mt 28,18-20.
[11] vgl. Wright, Christopher J.H.: The Mission of God. IVP Academia, 2006, 22.
[12] vgl. Joh 15,15.
[13] vgl. Mt 28,19.
[14] vgl. Joh 5,19.
[15] vgl. Ökumenischer Rat der Kirchen, Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog und Weltweite Evangelische Allianz: Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt. Empfehlungen für einen Verhaltenskodex. 2011, www.oikoumene.org/de/resources/documents/programmes/interreligious-dialogue-and-cooperation/christian-identity-in-pluralistic-societies/christian-witness-in-a-multi-religious-world. (3.4.2021).
[16] vgl. Joh 3,21.
[17] vgl. 1 Joh 1,7.
[18] vgl. Bazzell, Pascal D.: Gott im Anderen erkennen. In: Badenberg, Robert; Markus Dubach und Friedemann Knödler: Hudson Taylor: damals und heute. Beiträge der Jahrestagung 2016 des Evangelischen Forums für Mission, Kultur und Religion. VTR Verlag, 2016, 80.
[19] 3 Mose 19,2.

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