Die vier Vertreter von «fürenand – mitenand» Steffisburg (v.l.) Simon Meier, Andreas Gund, Erich Vetsch und Herbert Geiser im Gespräch mit Daniela Baumann.
In Steffisburg pflegen sieben Kirchen eine langjährige «Allianz in der Allianz» als Teil der Evangelischen Allianz Thun und Region (EARTH). Mit Simon Meier, Sozialdiakon in der FEG, Andreas Gund, Pfarrer der reformierten Kirche, Erich Vetsch, pensionierter Pfarrer Landeskirchliche Gemeinschaft jahu, und Herbert Geiser, Pastor in der Kirche B-Nord (FMG), diskutieren vier Verantwortungsträger aus Kirchen Steffisburgs, was Einheit für sie bedeutet und wie sie diese im «fürenand – mitenand» vor Ort leben.
Wie pflegt ihr als Kirchen von Steffisburg das Miteinander?
Herbert Geiser: Es hat mit dem gemeinsamen Gebet begonnen, das von Anfang an einen wichtigen Platz einnahm. Dann haben wir gemeinsame Projekte wie die Präsenz am Christchindli-Markt und am Jodlerfest oder Gospelforen organisiert. Das neuste Projekt ist der «Table Talk», da neben dem gemeinsamen Gebet und der Zusammenarbeit der Wunsch nach theologischem Austausch aufkam.
Erich Vetsch: Die Idee dazu kommt von einem Theologieprofessor aus Chicago. Wir hatten 2018 den ersten «Table Talk» zum Thema: «Was ist Kirche für uns und was heisst das für die Zusammenarbeit unserer Kirchen?»
Andreas Gund: In Steffisburg haben bereits frühere Exponenten aus der Landeskirche Brücken zu den anderen Kirchen gebaut. Wichtig ist, dass von beiden Seiten – Landes- und Freikirchen – Offenheit für anderes Christsein besteht und Beziehungen aufgebaut werden.
Simon Meier: Unsere Vorgänger haben gewisse Grundlagen für eine Allianz gelegt, die Zusammenarbeit war schon vorbereitet. Die Herausforderung ist, dass Allianz von den Freundschaften unter den Leitungspersonen auf ihre Kirchen übergeht.
Kommt es auf die Leitungspersonen an, damit Allianz funktioniert?
SM: Bevor sich Gemeinden finden können, müssen ihnen die Pastoren und Leitenden mit gutem Beispiel vorangehen. Sie müssen Zeit dafür erhalten, um in die Allianz zu investieren. Ein strategischer Entscheid der Gemeindeleitung genügt nicht. Zudem braucht es die gegenseitige Wertschätzung der Allianzleitenden, dass sie Veranstaltungen voneinander besuchen und bereit sind, aus dem Gewohnten der eigenen Kirche herauszutreten und sich auf das Ungewohnte der anderen einzulassen. Erst dann machen das auch die Kirchengänger.
EV: Beim «Table Talk» war es von Anfang an ein Ziel, später einmal auch die Mitglieder der Kirchen zu diesem Austausch einzuladen. Auch sie müssen Teil der Allianz werden.
Habt ihr gewisse Prinzipien, die ihr für ein gelingendes Miteinander für wichtig erachtet?
EV: Wenn wir interessante und gesellschaftsrelevante Anlässe auf die Beine stellen, welche die Teilnehmenden inspirieren, gelingt es eher, die Menschen aus den verschiedenen Kirchen für ein Allianzprojekt zu begeistern.
HG: Wobei der Anlass nicht immer gross und perfekt sein muss, um eindrücklich zu sein und ein Highlight zu werden.
SM: Geeint hat uns auch der gemeinsame Wunsch, uns als Christen zum Wohl des Dorfes einzusetzen und für die Behörden ein professioneller Partner zu sein. Dass die politische Gemeinde die Zusammenarbeit mit uns gesucht hat, ist für mich ein Highlight der Allianzarbeit. Da ist ein sehr kostbarer Draht entstanden.
AG: Wenn man es schafft, gemeinsam theologische Fragen auszudiskutieren und die Differenzen beiseitezulegen, kann Vertrauen entstehen. Wir haben gelernt, einander stehen zu lassen, wie wir je individuell unterwegs sind. Es gibt aus landeskirchlicher Sicht Vorurteile, die abgebaut werden müssen.
«Einheit in Vielfalt» – heisst es so schön. Inwiefern erlebt ihr die Vielfalt eurer Kirchen als Gewinn und als Herausforderung?
EV: Die Sicht ist wichtig, dass es alle braucht und alles sich ergänzt, seien es andere Kirchen oder andere Personen. Es ist nie eine Konkurrenzsituation, wenn wir ergänzend denken. Auch wenn wir nicht mit allem einverstanden sind, was andere Kirchen machen, ändert das nichts an der Beziehung zueinander.
HG: Es wurde vor allem herausfordernd, als einige evangelistischer unterwegs sein wollten. Da kam schnell die Frage auf, ob wir so offensiv auftreten wollen, und es musste gemeinsam ausgelotet werden, was drin liegt. Es ist ja auch möglich, Projekte nur mit einzelnen Kirchen zu machen und nicht als ganze Allianz.
SM: Auch in der eigenen Kirche gibt es Spannungen zu gewissen Themen. So lernt man schon da, die eigene Stimme zu erheben und die anderen stehen zu lassen. In der Allianz haben wir zusammen den kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht und im Apostolischen Glaubensbekenntnis gefunden. Es braucht eine solche gemeinsame Grundlage, sonst wäre es schwierig.
EV: Beim «Table Talk» trafen zum Beispiel zwei komplett andere theologische Überzeugungen zur Auferstehung von Jesus aufeinander. Es gab keinen Streit, aber es war klar, da sind verschiedene Überzeugungen im Raum. Statt den anderen von der eigenen Meinung überzeugen zu wollen, ist es wichtig, verschiedene Denkarten und Überzeugungen zu diskutieren, den anderen zu verstehen versuchen und dann die Spannung auch auszuhalten.
AG: Wenn ich weiss, wo ich stehe, und einen Glauben habe, der mich trägt, kann ich offen auf andere zugehen und mich für ihre Ansichten interessieren.
Wieso lohnt es sich, am Miteinander dranzubleiben?
HG: Wir können es uns gar nicht leisten, nicht zusammenzuarbeiten. Wir könnten noch viel mehr erreichen, wenn wir geschlossener zu unseren Grundwerten stehen würden.
EV: Die Frage ist, wie man das Reich Gottes sieht. Unser Grundgedanke ist, dass es grösser ist als die eigene Kirche.
AG: Wir verfolgen den Reich-Gottes-Gedanken auf verschiedene Arten und manchmal verstehen wir nicht alles beim anderen. Doch in einer säkularen Gesellschaft müssen wir Christen zusammen unterwegs sein und auf das Gemeinsame schauen.
Wie blickt ihr auf die Zukunft der Kirchen in Steffisburg?
HG: Wir stehen in Steffisburg vor einem grossen Umbruch, da einige personelle Wechsel in der Leiterschaft anstehen. Wie es weitergeht, hängt massgeblich von den neuen Persönlichkeiten ab.
EV: Personelle Wechsel hat es im «fürenand – mitenand» immer wieder gegeben. Das war bisher immer befruchtend und horizontöffnend. Die beteiligten Kirchen sehen einen grossen Mehrwert in der Zusammenarbeit. Deshalb haben sich alle – auch unter den veränderten Vorzeichen – für das Weitergehen in eine gemeinsame Zukunft ausgesprochen, zum Wohl unserer Kirchen und unseres Wohnortes Steffisburg.
Autorinnen: Daniela Baumann und Pascale Leuch