Loblied auf den menschlichen Körper

«Die Frage nach dem Wert und der Bedeutung unseres Körpers hat mich auf eine Reise geschickt mit ungeahnt schönen Entdeckungen!» Paul Bruderer, Chrischona-Pastor, lädt ein, auf den folgenden drei Seiten auf seine Entdeckungsreise mitzukommen.

Google-Ingenieur und Zukunftsforscher Raymond Kurzweil glaubt, dass wir bald in der Lage sind, unser «inneres Ich» in einen Computer zu übertragen. Von dort aus ist der Länge unseres «elektronischen Lebens» keine Grenze gesetzt. Für Kurzweil ist unser Körper ein Hindernis für das eigentliche, elektronische Leben, das wir haben sollten. Unser physischer Körper hat nur insofern eine Berechtigung, als er unsere Seele auf dem Weg dahin am Leben erhält.

Am Beispiel von Kurzweil sehen wir, dass die Erzählungen über unseren Körper ideologisch aufgeladen sein können. So betonen östliche Weltanschauungen die Göttlichkeit des Körpers. Die Transgender-Ideologie sieht den Körper als eine Art Werkzeug in der Hand der Seele. Der Körper soll das seelische Ich in der äusseren Welt zum Ausdruck zu bringen. Als Christ interessiert mich, welche Geschichte die Bibel über unseren Körper erzählt. Was wir dort entdecken, ist atemberaubend schön!

Bei Gott kommt physisch vor seelisch

Die Bibel zeigt den menschlichen Körper[1] als Gottes gutes Geschenk an uns. Die gesamte materielle Wirklichkeit ist positiv gewertet. Gottes wiederholtes «siehe es war gut» kommt dem Refrain eines Liedes gleich, das der Schöpfer voller Freude singt über das, was er ins Leben gerufen hat.[2] Berge, Tiere, Pflanzen, Flüssigkeiten wecken Gottes Freude! Knochen, Zehennägel, Nasen, Blut, Haut, Geschmacksinn, Muskeln, Synapsen, die geschlechtliche Form von Mann und Frau wecken Gottes Jubel! Er haucht dem geformten physischen Körper des Menschen Leben ein.[3] Das Physische kommt vor dem Seelischen. Wir sind beseelte Körper. Ich habe nicht einen Körper, sondern ich bin ein Körper!

Gott findet seine Idee der materiellen Wirklichkeit derart gut, dass er durch die Inkarnation in Jesus Christus selbst Körper wird. «Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns», bezeugt Johannes.[4] Dieses Bekenntnis ist zur Zeit des Neuen Testaments womöglich der grössere Skandal als die Auferstehung Jesu, weil damals einflussreiche Ideologien der Ansicht sind, dass die materielle Welt schlecht oder böse ist. Gemäss der gnostischen Weltanschauung hat eine zweitrangige, ignorante Gottheit aus lauter Bosheit die physische Welt geschaffen. Zu behaupten, dass der höchste Schöpfergott einen physischen Körper annimmt, ist nach gnostischer Überzeugung unfassbar dumm, irrational und sogar häretisch. Das Immaterielle, das Seelische, die Erkenntnis ist das Eigentliche!

In Ewigkeit mit Körper

Aber der Sohn Gottes insistiert. Das Ja von Jesus zu seinem eigenen Körper ist derart stark, dass er nach seinem irdischen Leben als inkarnierter Gott-Mensch weiter existiert. Diverse Bibelstellen zeigen uns Jesus Christus nach seiner Himmelfahrt weiterhin als Menschensohn.[5] Jesus streift bei seiner Auffahrt in den Himmel nicht seufzend seinen lästigen Körper ab, sondern behält ihn! Jesus beweist am eigenen Körper, dass Gott ein fundamentales Ja zum Körper hat.

Nicht nur Jesus Christus lebt in körperlicher Form weiter, sondern auch wir. Die biblische Vision der Zukunft zeichnet uns Menschen mit einem Auferstehungskörper. Wir werden in der Ewigkeit in körperlicher Form leben in der physischen Umgebung der neuen Schöpfung.[6] Jesus gibt am Kreuz seinen Körper für uns hin, damit unser Körper ewige Erlösung von den Leiden und vom Seufzen erfahren kann:

Auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes.[7]

C.S. Lewis fasst die christliche Sicht des Körpers zusammen:

Das Christentum ist nahezu die Einzige unter den grossen Religionen, die den Körper durch und durch bejaht. Aus christlicher Sicht ist Materie etwas Gutes. Gott selbst hat einmal einen menschlichen Leib angenommen, und wir werden auch im Himmel einen irgendwie gearteten Körper bekommen, der dann ein wesentlicher Teil unserer Seligkeit, unserer Schönheit und unserer Kraft sein wird.[8]

Unser Körper schenkt uns Individualität

Durch unseren Körper segnet uns Gott mit Individualität. David stimmt in Gottes Loblied auf den menschlichen Körper mit ein:

Du bist es ja auch, der meinen Körper und meine Seele erschaffen hat, kunstvoll hast du mich gebildet im Leib meiner Mutter. Ich danke dir dafür, dass ich so wunderbar erschaffen bin, es erfüllt mich mit Ehrfurcht.[9]

 

David ist sich bewusst, dass wir in einer gefallenen Welt leben, die vom Bösen signifikant beeinträchtigt ist, inklusive unser Körper. David kannte Menschen mit Behinderung persönlich.[10] Aber sogar unsere gefallenen Körper sind kunstvoll gestaltet! Wir sind kein Massenprodukt, sondern individuell geformt. Es gibt keinen Anderen wie mich, weil Gott jeden von uns persönlich und anders geformt hat.

Vielleicht ist mein Körper nicht so, wie ich ihn haben will. Aber Gott wusste, was er tat, als er mir meinen Körper gab. Diese Aussage ist heikel und kann leicht missverstanden werden. Was ist, wenn mein Körper Einschränkungen hat? Oder was ist, wenn das Geschlecht meiner Seele nicht zur Form meines Körpers passt? Kann ich dieses Loblied dann mitsingen? David macht uns Mut, Gott zu danken und loben für unseren Körper, ohne dabei dessen Unvollkommenheit auszublenden. Die Bedeutung und Güte des menschlichen Körpers ist derart konkret und stark, dass eine Behinderung oder Genderdysphorie nicht zu einer umfassend negativen Aussage über den Körper führen kann. Unser Körper hat auch dann — und vielleicht besonders dann — grossen Wert, immense Bedeutung.

 Durch unseren Körper segnet uns Gott mit Heimat

Unser Körper gibt uns einen Rand, eine Grenze, und damit schenkt Gott uns eine konkrete Positionierung in Raum und in Zeit, wo wir heimisch werden können. Wir sind nicht an zwei Orten gleichzeitig, sondern müssen den einen Ort verlassen, um an einem anderen Ort zu sein. Und wir leben nicht zu zwei Zeitpunkten der Geschichte.

 Einen Rand zu haben, eine Grenze zu besitzen, ist etwas, was unsere Kultur eher kritisch sieht. Sicher gibt es Grenzen, die wir durch unsere Erziehung, Prägung und Persönlichkeit unnötigerweise angelernt haben und ablegen dürfen. Trotzdem scheint es, als möchte unsere Kultur unbegrenzt sein, und dadurch will sie letztlich auch rand- und formlos sein. Wir wollen uns weiterentwickeln, die Grenzen unseres Seins überwinden, auf Biegen und Brechen anderswo hinkommen, als wir sind. Wir versuchen, an mehreren Orten gleichzeitig zu sein. Für unsere körperliche und begrenzte Existenz ist dieser moderne Anspruch ein Stress, weil er das Wesen unseres Seins verletzt. Natürlich dürfen wir zu neuen Ufern aufbrechen! Doch wir brechen immer als Mensch auf mit der eigenen Form und Grenze.

Wenn wir hingegen unsere körperliche und zeitliche Form dankend aus Gottes Hand nehmen und willkommen heissen, finden wir Heimat in Raum und in Zeit. Wir können an einem konkreten geografischen Ort, in einer spezifischen Kultur, Sprache, Umgebung und sozialen Gemeinschaft verwurzelt sein und uns da wohl fühlen. An anderen Orten, in anderen Sprachen, Kulturen und Gemeinschaften fühlen wir uns nicht in dieser Art heimisch. Was für den Raum gilt, gilt auch für die Dimension Zeit. Wegen unserer zeitlichen Begrenzung leben wir weder in der fernen Vergangenheit noch in der weiten Zukunft. Wir sind Zeitgenossen und dürfen uns in unserer Zeit heimisch fühlen.

Begrenzung macht beziehungsfähig

Wir haben im Unterschied zu Gott nicht unlimitiert Energie und Ressourcen. Wir brauchen Schlaf, Ferien, Erholung und Pausen. Unsere Grenzen zu missachten, kann dazu führen, dass wir uns selbst überfordern oder sogar ins Burn-out fallen. Wer seinen Rand respektiert, bleibt geschützt vor Überforderung.

Einen Rand zu haben, macht Beziehung möglich. Wären wir diffuse Wesen, würde man nicht wissen, wo man uns findet. Die Tatsache, dass wir einen Rand haben, ermöglicht es, dass man mit uns Kontakt aufnehmen kann. Wir haben sozusagen eine Adresse, an der wir ansprechbar sind: unseren Körper. Mittels unseres Körpers macht es uns Gott möglich, Beziehungen zu haben. Auch mit ihm, da er in Jesus Christus ebenso eine körperliche Existenz und Adresse hat.

Einen Körper zu haben, hilft uns, ganz da zu sein. Als die drei Freunde von Hiob ihn trösten wollen, kommen sie physisch zu ihm.[11] Sie schicken ihm nicht eine E-Mail. Sie trösten ihn nicht via Twitter, sondern sie kommen physisch zu ihm. Damit machen sie klar, dass sie ganz da sein wollen bei Hiob und nicht auch noch anderswo.

Heimisch werden in meinem Geschlecht

Aus christlicher Sicht ist unser Körper also alles andere als eine Zwischenphase auf dem Weg in eine rein seelische oder elektronische Existenz. Gott hat ein unmissverständliches und freudiges Ja zu unserer Körperlichkeit. Wir dürfen sein Loblied auf unsere Körperlichkeit mitsingen! Wir tun es, indem wir beten: «Danke Gott für den Körper, den du mir geschenkt hast!» Vielen von uns wird dieses Gebet schwerfallen. Doch in dieser Dankbarkeit liegt Gottes Segen für uns, denn dann können wir anfangen, neu zu leben. Wir werden heimisch in unserem Körper, in dessen Form und Geschlecht. Wir entwickeln Harmonie zwischen Seele und Körper. Wir leben im Bewusstsein, dass wir ein physisches Unikat sind. Es gibt keinen wie ich! Ich bin ein Kunstwerk des Meisters! Wir erlauben es uns, da wo wir wohnen, mit den Menschen und in der Kultur und Zeit, in der wir leben, heimisch zu werden. Wir kommen endlich an im Leben, das Gott uns geschenkt hat.

Autor: Paul Bruderer

[1] Dieser Artikel benutzt das Wort «Körper» statt «Leib», um die physische Dimension besonders zu betonen.

[2] vgl. 1 Mose 1.

[3] vgl. 1 Mose 2,7.

[4] Joh 1,14.

[5] vgl. z.B. Apg 7,56.

[6] vgl. Offb 21,1.

[7] Röm 8,23.

[8] Lewis, C.S.: Pardon, ich bin Christ. Fontis, 2016.

[9] Ps 139,13-14.

[10] vgl. 2 Sam 9,1-13.

[11] vgl. Hiob 2,11-13.

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