Johannes Czwalina hat bereits 2014 ein Buch über den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine herausgegeben.[1] Er hält darin Frieden nur für möglich, wenn alle Beteiligten bereit sind, sich in die Denkweise der anderen hineinzuversetzen und die Vergangenheit aufzuarbeiten. Das ist zurzeit aber nicht der Fall. Eine Kommentierung der aktuellen Geschehnisse in vier Fragen und Antworten:
Wie lässt sich dieser Krieg beenden?
Es gilt, die tieferen Ursachen des Krieges zu berücksichtigen. Es sind bittere Wurzeln, die zum Teil lange zurückliegen und nie aufgearbeitet wurden. Sie bleiben in Friedenszeiten verborgen, brechen aber in Spannungszeiten plötzlich wieder auf und bewirken dann Unberechenbares.
Die Diplomatie ist zunehmend überfordert. Sie muss aus diesem ständig zunehmenden Defizit unaufgearbeiteter Vergangenheit heraus die immer schneller entstehenden Brände mit oberflächlichen Löscharbeiten bedienen. Dies zeigt, dass die gründliche Aufarbeitung von traumatischen Ereignissen der Vergangenheit der Erfolgsfaktor für die Bewältigung der Konflikte in der Gegenwart ist. In Friedensbemühungen geht die meiste Zeit verloren, weil man nicht bis zu den Wurzeln der Konflikte zurückgeht. Der längste Weg kann sich als der kürzeste Weg zur Lösung der Konflikte erweisen.
Für Putin war der Sturz des zum Schluss von Russland gesteuerten ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch eine riesige Demütigung. Den Einflussverlust durch ein neues demokratisches System in Kiew, das sich von russischer Bevormundung befreit hatte, hat er nie verwunden. Wenn man sich in sein Denken hineinversetzt, musste es nur eine Frage der Zeit sein, bis sich Russland seinen vermeintlichen Besitz wieder zurückholt.
Der Krieg lässt sich nur beenden, wenn alle Seiten bereit sind, sich in die Denkweise der anderen Seite hineinzuversetzen. Verhandlungen als solche sind nutzlos, wenn nicht von beiden Seiten eine echte Bereitschaft zu Verhandlungen besteht.
Wäre das Problem gelöst, wenn Putin nicht mehr an der Macht wäre – Stichwort «Tyrannenmord»?
Das kann sein, kann aber auch nicht sein. Dimitri Medwedew würde eventuell nachrücken und nichts würde sich ändern. Als Christ würde ich eher darum beten, dass Gott durch Umstände redet. Gott kann die Situation von einem Moment zum anderen wenden. Unsere Waffe als Christen ist das ernsthafte Gebet.
Sind Sanktionen, die auch die Bevölkerung in Russland betreffen, ein hilfreiches Mittel, um den Krieg zu stoppen?
Die Sanktionen betreffen nicht nur die russische Bevölkerung, sondern auch die Menschen im Westen. Wir haben einen kalten Winter vor uns. Wir müssen uns einschränken in unserem Konsumverhalten. Für mich ist es das Opfer wert. In dieser Phase der Uneinsichtigkeit des russischen Despoten versteht dieser keine andere Sprache als die Sprache von Sanktionen.
Wie können wir als Netzwerk der SEA die Christen in Russland stärken, damit sie vor Ort für Frieden einstehen?
Wir stärken sie durch Zeichen, die den Menschen unsere uneingeschränkte Liebe zeigen. Sie haben die gleiche Zuwendung verdient wie die Christen in der Ukraine. Wir sind zu kreativen Ideen aufgefordert: Briefe schreiben, Reisen planen, Gemeinden finanziell unterstützen. Ich habe die russischen Christen als wunderbare Menschen kennengelernt, mit denen ich auch in dieser schweren Zeit in telefonischer Verbindung stehe. Ich versuche sie auch nicht eines Besseren zu belehren, wenn sie Opfer einseitiger Berichterstattung geworden sind.
Autor: Johannes Czwalina
[1] Czwalina, Johannes: Die Wirklichkeit einblenden! Wege zum Frieden. Dittrich Verlag, 2017 (Erstauflage: Aufarbeitung der Vergangenheit als Schlüssel für langfristigen Frieden, 2014).