Glaubenserziehung am Montag

«Für uns brauchen wir eigentlich keine Gemeinde. Aber wir möchten, dass unsere Kinder den Glauben an Jesus leben lernen. So haben wir uns entschieden, als Familie hierhin zu kommen», erzählt mir eine dreifache Mutter, als sie sich über das Kinderprogramm unserer Gemeinde erkundigt. Wie reagiert man in einer solchen Situation passend?

1000 Gedanken schiessen mir als Pastor gleichzeitig durch den Kopf: Wie schön, dass diese Frau die Glaubenserziehung ihrer Kinder uns anvertrauen will. Wir haben eine sehr gute und altersgerechte Kinder- und Jugendarbeit und diese kann eine Verstärkung von drei weiteren Kindern gut gebrauchen. Doch kann man am Sonntagmorgen den Glauben an Jesus «leben lernen»? Werden wir dieser Verantwortung gerecht? Überhaupt: Was ist unsere Verantwortung als Gemeinde und was jene der Eltern?

Kinder und Eltern ausrüsten

Gemäss einer Umfrage unter Schweizer Freikirchen zur Glaubenserziehung sind die Eltern klar der wichtigste Einflussfaktor, dass Kinder den Glauben an Jesus kennenlernen.[1] Dies ist mehr als verständlich, wenn man die nackten Stunden zählt: Ein Kind verbringt 40 bis 180 Stunden pro Jahr im Gemeindeprogramm, hingegen sind es um die 3000 Stunden pro Jahr, welche Eltern Zeit haben, ihr Kind zu prägen. Hinzu kommt, dass man die Nachfolge von Jesus meistens nicht durch Bücher und Theorie lernt, sondern durch Nachahmen von Vorbildern und Einüben im Alltag.

Daher ist es zu kurz gedacht, wenn Kirchen sich nur auf ihre 40 bis 180 Stunden fokussieren und die 3000 Stunden der Eltern ausser Acht lassen. Viel gewinnbringender ist es, wenn Gemeinden ihre Zeit nutzen, um Kinder und Eltern auszurüsten, dass sie ihren Glauben im Alltag leben und teilen können.

Aus diesem Grund ist in unserer Gemeinde das Elterngespräch etwas Wichtiges. So kann man gemeinsam austauschen, wo das Kind im Glauben steht und was es braucht, um in der Nachfolge zu wachsen. Ich erinnere mich an eines der ersten Gespräche, als ich einen Vater fragte, ob seine Tochter im Teenie-Alter eine Beziehung zu Jesus habe. Ganz verwirrt schaute er mich an und sagte dann zögerlich: «Keine Ahnung. Das habe ich mich und sie noch nie gefragt.» Ein paar Monate später konnte er mir dieselbe Frage postwendend beantworten und wir hatten einen wertvollen Austausch darüber, was seine Tochter als Nächstes braucht. Jetzt war ich sprachlos ob der Sprachfähigkeit des Vaters. Erstaunlich, was eine solche, etwas direkte Frage auslösen kann.

Mehr als Programm

Ich glaube, dass wir noch mehr Kirchen brauchen, die neben dem guten Kinder- und Jugendprogramm nicht nur Teilnehmerzahlen und Programmpunkte sehen, sondern mindestens so viel Energie und Zeit in die Eltern selbst investieren. Wir brauchen Gemeinden, die mit den Eltern in den Dialog treten, ihnen ihre Berufung zusprechen und die Eltern ausrüsten, damit sie befähigt sind, ihre Kinder in die Nachfolge Jesu zu begleiten. Ebenso glaube ich, dass wir noch mehr Eltern brauchen, die ihren Kindern nicht nur die natürliche Welt erklären, sondern ihnen auch ein Leben aus der Fülle des geistlichen Lebens vorleben.

[1] vgl. Zwicky, Christian: Die Verantwortung der Glaubenserziehung bei Kindern. BA-Diplomarbeit, 2008: https://tinyurl.com/222r6pwa (29.4.2024).

Autor: Christian Zwicky

Christian Zwicky ist verheiratet mit Seraina, gemeinsam haben sie fünf Kinder zwischen 14 und 3 Jahren. Er arbeitet als Teilzeitpastor in der FEG Henggart und steht für «Orange Leben» im Rahmen der FEG Schweiz ein.