Gewaltfreie Erziehung: Ein christlicher Ansatz in einer modernen Welt

In unserer schnelllebigen und oft herausfordernden Welt fragen sich viele christliche Familien, wie sie die Prinzipien ihres Glaubens in die tägliche Erziehung ihrer Kinder integrieren können. Verunsicherung entsteht durch Bibelverse, die Züchtigung und den Gebrauch der Rute thematisieren, sowie durch die oft pauschale mediale Darstellung von Christen als Befürworter körperlicher Züchtigung.

Gewalt in der Erziehung umfasst mehr als nur körperliche Aspekte. Sie kann in verschiedenen Formen auftreten, darunter körperliche Bestrafung wie Schlagen, verbale Aggression wie Beschimpfen oder Vernachlässigung wie Liebesentzug, mangelnde Fürsorge und Aufmerksamkeit.

Eine gewaltfreie Erziehung ist tief in christlichen Werten verwurzelt. Das grundlegende Gebot der Nächstenliebe bildet die Basis für eine gewaltfreie Erziehung. Es lehrt, Kindern mit Liebe zu begegnen, um eine Umgebung zu schaffen, in der sie sich emotional sicher und verstanden fühlen. Das Zuhause soll ein sicherer Ort sein. Nur so können Kinder Herausforderungen bewältigen und emotionale Stärke entwickeln.

Der Stecken tröstet, leitet, begrenzt

Das Bild des Hirten hat mich stark geprägt. Die Bibel sagt in Psalm 23: «Dein Stecken und Stab trösten mich.» Das Wort für «Stecken» ist dasselbe wie das Wort für «Rute» (z.B. in Sprüche, Kapitel 13, Vers 24). Die Rute soll uns laut Psalm 23 trösten. Ein Hirte leitet seine Schafe, indem er den Weg weist, Grenzen aufzeigt und präsent ist. Er leitet auch, indem er gegebenenfalls den Stecken ausstreckt, um den Weg des Schafs zu begrenzen.

 

Laut einer Erzählung schnitzten Hirten Zeichen in ihre Stäbe als Erinnerung an besondere Momente von Gottes Handeln. So wurde der Stab zu einem Trost – der Gott, der damals geholfen hat, hilft auch heute.

Das Bild des Hirtenstabs war für mich eine wichtige Grundlage in der Erziehung der eigenen Kinder. Der Stab tröstet, führt und leitet, ist jedoch nicht dazu gedacht, die Schafe zu schlagen. Und ganz wichtig: Ohne diesen Stab leiden die Schafe unter Orientierungslosigkeit – ein Zustand, der heute unter der jungen Generation stark verbreitet ist. Eltern sind Hirten; sie sind in der Erziehung diejenigen, die wissen, wohin der Weg geht. Sie haben den grösseren Blick und sind nicht auf einer Ebene mit den Schafen. Auch sollten die Schafe nicht die Rolle des Hirten übernehmen und sagen, wo es langgeht.

Meines Erachtens dürfen wir uns nicht darin verunsichern lassen, unsere Kinder zu erziehen: gewaltfrei, aber konsequent auf dem nahrhaften Boden von Liebe und Vertrauen. So geben wir ihnen Orientierung und Sicherheit.

Autorin: Stefanie Reusser

Von der Notwendigkeit zur Ablehung von Gewalt

In der frühen Geschichte waren Schlagstock und körperliche Züchtigung unerlässlich, damit «das Kind nicht verdirbt». Bis ins 19. Jahrhundert waren Körperstrafen als Erziehungsmittel sogar laut Gesetz zur Erziehung der Kinder nötig. Ein ausdrückliches Verbot von Körperstrafen an Kindern durch die Eltern kennt die schweizerische Rechtsordnung bis heute nicht. Viele christliche Gemeinschaften und Organisationen haben moderne pädagogische Prinzipien und Forschungsergebnisse wie die Ablehnung von Gewalt in ihre Erziehungsansätze integriert.

Stefanie Reusser ist Schulleiterin der Höheren Fachschule für Sozialpädagogik ICP in Wisen bei Olten. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie zwei erwachsene Kinder und lebt im Berner Seeland. Neben ihren leiblichen Kindern begleitete sie immer wieder Pflegekinder und junge Erwachsene, was sie als eine wertvolle Erweiterung ihrer Kernfamilie erlebte.