Gesunde Theologie lässt Menschen aufblühen

Die theologischen Überzeugungen von kirchlichen Leitungspersonen prägen den Glauben von anderen Menschen, sei es in Seelsorge, Erziehung oder Predigt. Was kennzeichnet eine gesunde Theologie, die Menschen aufblühen lässt?

Mir hilft dazu das Bild eines Festmahls. Noch vor dem Kochen ist die Auswahl der Zutaten entscheidend. Es ist unumgänglich, die eigenen theologischen Überzeugungen laufend an der Botschaft der Bibel zu prüfen. Gesund bleiben sie dann, wenn die ganze Breite dieser Botschaft respektiert wird und die grossen Linien von Gottes Geschichte mit uns Menschen im Fokus sind. Wenn Speziallehren zum Zentrum werden oder man radikale Aussagen macht, die sich auf wenige Verse ohne Kontext stützen, wird es ungesund. Die Orientierung an Bekenntnissen der frühen Christenheit kann dabei hilfreich sein.[1] Gesunde Theologie zeichnet sich durch die laufende Bereitschaft aus, von Gott selbst infragegestellt zu werden.

Es geht um mehr als Inhalte

Gute Zutaten sind wichtig, aber in falschen Mengen machen sie ein Essen dennoch ungeniessbar. Einseitigkeit kann einen von Druck und Angst geprägten Glauben bewirken, Selbstablehnung oder Überheblichkeit verstärken, aber auch in völlige Beliebigkeit führen. Ausgewogen ist eine Theologie erst dann, wenn sie Jesus, sein Sterben und seine Auferstehung im Zentrum hält. Darauf aufbauend helfen mir Begriffspaare: Diese gute Botschaft ist Anspruch an uns, aber genauso Zuspruch. Sie zeigt uns unsere Schuld auf, aber auch die tiefe Liebe und vollkommene Vergebung Gottes. Dabei ist Gott im Blick, aber genauso auch der Mensch. Schon jetzt ist Gottes Heil erfahrbar, aber noch nicht vollkommen.

Selbst bei der richtigen Auswahl und Menge der Zutaten kann alles anbrennen. Korrekte Glaubensüberzeugungen können so verwendet werden, dass sie schaden. Mit Angst und Beschämung kann man Menschen erfolgreich manipulieren, verletzt aber ihre Würde als Ebenbilder Gottes. Durch gesunde Theologie erleben Menschen Freiheit und können sich so entfalten, wie es Gott für sie vorgesehen hat. Sie werden nicht von Seelsorgenden abhängig, sondern behalten ihre Selbstverantwortung für sich und ihren Glauben. Dabei ist auf allen Seiten immer mit Irrtum zu rechnen. Auch die besten Predigten haben Schlagseiten und die ergreifendsten Vorbilder menschliche Züge. Deshalb ist es notwendig, Menschen Luft zu lassen, dass sie für sich prüfen können, welche Schritte sie gehen möchten.[2]

Ungesund sind nur die anderen

Ungesunde Theologie bei anderen kennen alle – aber gesunde Theologie rechnet bei sich selbst damit. Es gibt keine Glaubensrichtung und keine Gemeinde, die diese Selbstprüfung nicht nötig hätte. Wenn anschliessend mit qualitativ hochstehenden Zutaten im richtigen Verhältnis gekocht wird, entsteht ein Festmahl. Mir beschrieb einmal eine Person aus dem Emmental, wie sich das für sie anfühlte, als sie mit gesundem Glauben in Kontakt kam: «Es ist, wie wenn Kühe einen ganzen Winter im dunklen Stall standen. Nun wird es Frühling, die Türe wird aufgestossen, die Sonne durchflutet den Stall, die Kühe werden losgebunden und stürzen voller Freude auf die Weide.»

[1] Zur Vertiefung: Schweyer, Stefan: Gesunder Glaube. Nahrhafte Impulse zum Apostolischen Glaubensbekenntnis. Books on Demand, 2019.

[2] Zur Vertiefung: Kruger, Michael J. / Pulpit, Bully: Confronting the Problem of Spiritual Abuse in the Church. Zondervan, 2022.

Autor: David Jany

David Jany ist Pfarrer in der FEG Zürich-Trittligasse und im Masterstudium Psychologie an der Universität Zürich. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern im Primarschulalter.

Datum
Uhrzeit
Ort
Webseite
Preis
Anmeldefrist