Geschlechterfragen unter «Digital Natives»

Werden aus Mädchen und Jungen langsam Frauen und Männer, stellt sich vielen die Frage, was eigentlich eine Frau bzw. einen Mann auszeichnet. Weiter wird hinterfragt, ob die Hobbys und Vorlieben, der Kleidungsstil, die Ausdrucksweise usw. der eigenen Vorstellung von Weiblichkeit oder Männlichkeit entsprechen. Die Kirche soll in alledem ein Ort sein, an dem Jugendliche darüber sprechen können.

Viele Jugendliche beschäftigen sich mit Geschlechterfragen. Verkompliziert wird die Situation dadurch, dass die «Digital Natives» (Generation Z) die erste Generation sind, für welche die digitale Welt einen ähnlich starken oder sogar stärkeren Einfluss auf das Denken und Entscheiden hat als die physische Welt – also beispielsweise Eltern oder Peers. So helfen neben Freunden und Geschwistern auch die sozialen Medien auf der Suche nach Antworten. Beispielsweise der Musiker Harry Styles, der unter anderem im Modemagazin «Vogue» in einem Kleid posierte. Oder auch die Schauspielerin Ellen Paige, die immer wieder sehr «männlich» aufgetreten ist und seit Ende 2020 nicht mehr Ellen (weiblich), sondern Elliot (männlich) sein möchte.

 Dieser für viele Jugendliche interessante Zeitgeist kann bei Eltern zu Verunsicherung und Überforderung führen. Aus meiner persönlichen Erfahrung verstehen die meisten Jugendlichen die Geschlechter aber immer noch binär und fühlen sich dem Geschlecht zugehörig, das in ihrer Geburtsurkunde steht.

Die Verstärkung eines Trends
Das Aufbrechen von Geschlechternormen ist auch nichts Neues. Schon das grosse Idol meiner Jugend, David Beckham, hat Kleidung, Körperpflege und Auftreten, welche dem weiblichen Geschlecht oder dem homosexuellen Mann zugeordnet wurden, für den heterosexuellen Mann salonfähig gemacht. Heutzutage erleben wir eine Weiterführung und Zuspitzung des Trends, den Status quo zu hinterfragen. Zusätzlich ist die Thematik aufgrund der globalen Vernetzung viel präsenter.

 Die dadurch entstehenden Herausforderungen sind offensichtlich. Jugendliche, die stark nach Normalität und Halt suchen, laufen aufgrund der Geschlechtervielfalt Gefahr, sich zu verlieren. Eine Chance dieser Entwicklung ist, dass Jugendliche, die nicht den stereotypen Vorstellungen ihres biologischen Geschlechts entsprechen, Zugang zu Menschen haben, die sich so kleiden, so sprechen und so auftreten, wie sie sich wohl fühlen. Auch diese Erfahrung kann Jugendlichen Normalität und Halt geben.

 Bedingungslose Liebe und Vertrauen
Den Auftrag der Kirche sehe ich darin, die Jugendlichen bedingungslos zu lieben, wie es auch Jesus tun würde. Es soll eine Vertrauensgrundlage geschaffen werden, dass persönliche Fragen zu Geschlecht und Identität gestellt werden können. Es ist sicher eine Herausforderung, dass uns unsere eigenen Moralvorstellungen nicht in den Weg kommen. Wir wollen den Jugendlichen die Suche ermöglichen und nicht vorschreiben, wie sie sein sollen.

 Die Kirche, aber auch die Gesellschaft ganz allgemein, wird mit Geschlechterfragen vor neue Herausforderungen gestellt. Es sind schon und werden weiter neue Normen daraus wachsen. Dabei ist es wichtig, Teil dieser Diskussion zu sein. Es ist entscheidend, auch dann zuzuhören, wenn jemand eine andere Meinung vertritt, nach Hilfe zu fragen, wenn wir überfordert sind, und Fehler zuzulassen.

Autor: Dave Buri

 

Das sagen junge Menschen zum Thema Geschlecht und Selbstfindung:

Ornina, 26-jährig: «Ich erlebe oft, dass ich vom Umfeld in eine bestimmte Geschlechterrolle gedrängt werde. Das passt für mich aber überhaupt nicht in unser heutiges Zeitalter. Ich denke, diese Rollen kommen vom Umfeld und von den Umständen, in denen man aufwächst. So waren zur Zeit der Bibel die Frauen sehr abhängig in der patriarchal geprägten Gesellschaft. Ich finde es wichtig aufzuklären, dass das nicht mehr so ist. Dass eine Partnerschaft von Frau und Mann auf Augenhöhe stattfinden muss und nur Gott über beiden steht. Ich wünsche mir auch mehr Akzeptanz von der Gesellschaft und besonders der Kirche für Personen, die keine Partnerschaft wollen. Nicht jede Frau ist zur Ehefrau und Mutter berufen.»

Joschua, 19-jährig: «Ich finde Identität ein sehr wichtiges Thema, auch gerade für uns Christen. Wir definieren uns ganz anders, weil Gott bei uns im Mittelpunkt steht und nicht die Person selbst. Deshalb fände ich es wichtig, auch mehr in Predigten darüber zu hören. Mein Geschlecht spielt in erster Linie keine Rolle für meine Identität, da ich wie ein Mann aussehe und mich auch so definiere. Mit der Gleichberechtigung gibt es heute auch nicht mehr so viele Rollenzuschreibungen. Was mir auffällt, ist jedoch, dass die Bibel sehr frauenfeindlich ist, da man als Frau zur Zeit der Bibel nicht alles durfte. Als Mann überlege ich mir das gar nicht beim Bibellesen.»

 Nicolas, 20-jährig: «Geschlecht und Identität hängen für mich zusammen. Ich persönlich finde es schön, wenn man unterschiedlich ist, solange man sich nicht von typischen Geschlechterberufen begrenzen lässt. Bei uns im Hauskreis ist Geschlecht immer wieder ein Thema, weil sich eine Person für Frauenrechte einsetzt. Das hat mir aufgezeigt, welche Privilegien in der Gesellschaft herrschen. So sind Männer privilegiert bei der Arbeit und Frauen teilweise, wenn es um soziale Aspekte  geht. Ich glaube nicht, dass wir je einen Standpunkt finden werden, an dem beide gleich privilegiert sind, da die Vorurteile nie ganz verschwinden werden.»

Romina, 17-jährig: «Identität hat für mich zuerst einmal nichts mit Geschlecht zu tun, da ich mich in Christus definiere. Identität ist, wer du als Person bist, dein Charakter, an was du glaubst, deine Hobbys; du kannst deine Identität in allem suchen. Das Geschlecht definiert, wie du aufwächst, auf was du achtest etc. Unsere Gesellschaft gibt bestimmte Normen vor, nach denen unsere Eltern uns erziehen. Diese Normen sind auch wie Vorurteile, denen wir unterworfen sind. So wird man zum Beispiel als Frau dazu erzogen, am Abend nicht alleine rumzulaufen, und die Männer dazu, die Frauen zu beschützen.»

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