Gott – der grosse Schöpfungsgestalter – ist Ursprung und Ziel einer Erziehung, die auf christlichen Werten und einer lebendigen Gottesbeziehung fusst. Jesus Christus hat uns ein Vorbild hinterlassen, das prägend und wertestiftend unseren Alltag durchdringen soll. Doch nicht nur dies: Wir dürfen auf sein Dabeisein, seine Gnade, Unterstützung und Kraft im Erziehungsgeschehen vertrauen. Elternschaft ist göttliche Berufung und Auftrag und steht unter Gottes Segen.
Die Fundamente, auf denen christliche Erziehung ruht, sind unser Gottesbild und unser Menschenbild. Unsere diesbezüglichen Ansichten, die eigene Erziehungsgeschichte, der Wissensstand zum Thema Erziehung, Persönlichkeitsfaktoren des Erziehenden und des Kindes sowie mannigfaltige äussere Umstände bewirken eine ganz eigene Ausprägung dieser christlichen Erziehung. Es gibt somit nicht die eine christliche Erziehung, sondern vielfältige Ausprägungen eines Lebens mit und im Glauben, das sich zwischenmenschlich im Alltag und transzendent in der Beziehung zu Gott abspielt.
Notwendiger Umschwung
Christliche Erziehung war immer vom Zeitgeist geprägt. Im Renaissance-Humanismus wandte man sich der Erkenntnis zu, dass der Mensch wertvoll und Gottes Ebenbild ist und dass antike und christliche Tugenden wie Güte, Mitgefühl und Freundlichkeit grundlegend wichtig sind. In der Reformation wurden der Bildung und Hinführung der Kinder zum Glauben grosses Gewicht geschenkt. Liebe und Gehorsam waren sehr lange die Maximen der Erziehung, wobei der Gehorsamsaspekt oft zeitbedingt überwog. Und nur zu oft wurde leider in einer falsch verstandenen, von frommem Übereifer geprägten biblizistischen Auslegung der wenigen Bibelstellen über «Züchtigung» mit Härte und Rute erzogen.
Die letzten Jahrzehnte, in denen in pädagogischer Hinsicht ein massiver Erkenntniszuwachs erfolgte und auch hermeneutisch-exegetisch vertieft zum Thema gearbeitet wurde, brachten hier einen notwendigen Umschwung. Leider muss noch viel aufgearbeitet werden, um Opfern fehlgeleiteter Erziehung eine heilsame Wiederherstellung zu ermöglichen. Dennoch: Dass Erziehung auf christlicher Grundlage mit missbräuchlichen Fehlentwicklungen gleichgesetzt wird, wird der Realität hilfreichen Erziehungsgeschehens unter christlichen Werten in keiner Weise gerecht.
Beziehung vor Erziehung
Aus der Gesamtaussage der Bibel lässt sich, in aller Kürze formuliert, eine lebensbejahende, zutiefst positive, von Freude, Zuversicht und Zukunftshoffnung geprägte erzieherische Grundhaltung der Liebe und des Respekts gegenüber Gott und seiner Schöpfung ableiten. Der Mensch ist gemäss dem biblischen Menschenbild einmalig, geliebt, würdig und bedürftig: in Gottes Ebenbild geschaffen und seit dem Sündenfall erlösungsbedürftig. Wir sind zur Gemeinschaft mit Gott geschaffen und zur Ehre seiner Herrlichkeit berufen. Wir sollen die Schöpfung bewahren und konstruktiv selbst schöpferisch tätig sein. Wir brauchen Erlösung: Ohne Jesus Christus sind wir nicht daheim im Vaterhaus, sondern verlorene – nicht böse – Schafe, die vom guten Hirten gefunden werden müssen. Gottebenbildlichkeit wie Sündhaftigkeit sind unsere tiefste Natur.
Wir sind auf Beziehung hin angelegt: Gott ist in sich Beziehung. Das heute anerkannte pädagogische Prinzip «Beziehung vor Erziehung» findet sich bereits in der Bibel. Grundlage dieser Beziehung ist die bedingungslose Liebe Gottes; erst daraus erfolgt «Discipleship»: Jüngersein, Nachfolge oder Gehorsam Gott gegenüber. Diese Reihenfolge darf nicht umgekehrt werden. Diese heilsgeschichtliche Verortung von Erziehung begegnet dem tief im Menschen angelegten Bedürfnis nach Spiritualität in ganzheitlicher und befreiender Weise. Nicht Druck und Zwang leiten das Erziehungsgeschehen, sondern Fürsorge, zuverlässige Stillung der echten Bedürfnisse, gesunde Grenzen und das befreiende Angebot einer ganzheitlichen Liebe zu sich selbst, zum Nächsten, zu Gott. Sie haben das Aufblühen und die Entfaltung des jungen Menschen zur Absicht und bewirken eine sichere Bindung. Freiheit «von» und Freiheit «zu» ermöglichen ein verantwortungsvolles und erfülltes Leben. Frei von destruktiven Handlungsweisen sich selbst und anderen gegenüber kann im Rahmen der eigenen Fähigkeiten und Begabungen ein aktives, selbstständiges, die Gesellschaft positiv prägendes Leben gestaltet werden.
Ganzheitliche Entwicklung im Blick
Christliche Grundwerte wie Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Vergebungsbereitschaft, Geduld, Demut, das Trachten nach Frieden, Gerechtigkeit und Fairness, Verlässlichkeit, Dankbarkeit, Selbstbeherrschung, Hoffnung und Optimismus sollen zu einem kraftvollen, mutigen Leben verhelfen, das freudig bejaht und auch mit Genuss ausgelebt wird. Eine auf diesen Werten basierende Erziehung will nicht nur Wissen vermitteln, sondern Charakter bilden und Persönlichkeit auf einer tragfähigen ethischen und moralischen Grundlage entfalten. Sie verhilft zu einer ganzheitlichen Entwicklung des jungen Menschen. Sie fördert die intellektuelle Neugier, die emotionale Intelligenz und den wertschätzenden Umgang mit dem eigenen Körper.
Mit Gottes Hilfe
Erziehende sind dabei nicht auf sich allein gestellt: Gebet und Leitung durch den Heiligen Geist helfen, Kindern ein feinfühliges, Geborgenheit schaffendes Gegenüber zu sein. Von Gott geleitet, dürfen sie in liebevoller Autorität leiten, ohne in eine ungesunde Hierarchieumkehr abzugleiten. Sich geliebt wissend, können sie vergebend lieben und machen ihre Identität nicht von der Zustimmung oder Ablehnung des Kindes abhängig. Ungesunden Erziehungstrends, etwa verfrühte, deformierte Gewissensbildung oder einseitig bindungsorientierte Erziehung (Attachment Parenting), kann so widerstanden werden.
Erzieherisches Verhalten in Elternhaus, Kirche und Schule muss immer wieder reflektiert und diskutiert werden. Es muss mit einem ausgewogenen Bibelverständnis und zuverlässigen wissenschaftlichen Erkenntnissen abgeglichen und an die Individualität des Kindes angepasst werden, ohne dabei in Beliebigkeit zu verfallen.
Ein autoritativer Erziehungsstil (siehe auch Artikel «Von Disziplinierung zu liebevoller Autorität») hat die besten Aussichten auf eine Erziehung, die gelingend ist – mit Gottes Hilfe und in aller Freiheit.
Autorin: Doris Bürki

Doris Bürki ist verheiratet und Mutter von sechs erwachsenen Kindern. Sie ist ausgebildete Primarlehrerin, Co-Leiterin der SEA-Arbeitsgemeinschaft Forum Ehe+Familie und Teil von FEG ehe+familie, Präsidentin der Biblisch-Therapeutischen Seelsorge Schweiz und Mitglied des Care-Teams Aargau.