Das Paradies in der Familie

Es ist Samstagabend. Als fünfköpfige Familie machen wir uns bereit, um Schalom zu feiern. Dazu decken wir den Tisch sorgfältig, zünden sechs Kerzen für jeden Wochentag und eine grössere Kerze für den Sonntag an. Dann stossen wir mit Traubensaft in Weingläsern an und sprechen uns gegenseitig Schalom zu. Wir nehmen das Schalom-Brot, welches aus sieben Stücken – angeordnet wie bei einem Dreikönigskuchen – besteht, und reichen es in der Runde weiter. Wir bieten es dem Nächsten an.

Als Eltern haben wir diese kleine Feier am Samstagabend eingeführt, weil uns wichtig ist, dass wir nicht einfach so in den Sonntag hineinrutschen. Wir wollen uns am Abend vorher bewusst machen und uns freuen, dass der Sonntag – der Tag unseres auferstandenen Herrn – vor uns liegt. Da unser Alltag auch von Streit und Ärger begleitet wird, wollen wir das grosse Geschenk Gottes, die Vergebung, auch als Familie feiern. Damit ich dem anderen Schalom zusprechen kann, braucht es meine Bereitschaft, vorher den Frieden zu suchen. Ich werde mir meiner eigenen Schuld oder dem mir zugefügten Leid bewusst.

Wir pflegen dies als Ritual. Es ist wiederkehrend und immer gleich. Wir sind überzeugt, dass dies Orientierung gibt. Rituale ermöglichen, grosse Wunder auch nur halbherzig verstehen zu dürfen. In der Wiederholung wachsen Tiefe und Verständnis. Uns ist dabei wichtig, dass verschiedene Sinne angesprochen werden. Es sind nicht nur Worte. Wir brechen Brot. Wir teilen. Wir wenden uns einander bewusst zu.

Um Vertrauen werben

Der biblische Text zum Paradies, in dem Gott am Abend seine Geschöpfe besucht, zeigt die Zuwendung Gottes auf Augenhöhe. Er sucht sie. Er ruft sie. Er hat dem Menschen mit dem Paradies einen wunderbaren Lebensort geschenkt. Er gab ihm alle Freiheiten. Er lud ihn ein, ihm zu vertrauen. Und trotz dem Scheitern des Menschen blieb er mit ihm dran.[1]

Das inspiriert mich für die Erziehung der Kinder. Ich suche als Vater meine Kinder immer wieder auf, ich werbe um das Vertrauen in die gute Nachricht. Ich versuche, ein gutes Umfeld zu schaffen, wie zum Beispiel mit dem beschriebenen Ritual. Ich ermutige sie, ihren Fragen nachzugehen und diese zu benennen. Ich halte mich zurück mit schnellen Antworten. Ich suche nach biblischen Texten, die etwas von ihrer Frage aufnehmen, und erzähle sie ihnen. Für mich ist dies ein Suchen nach Gott und nicht nach Antworten.

Die Freiheit der Kinder

In der Kinderrechtskonvention der UNO wird im Artikel 14, Absatz 2 formuliert, dass die Eltern ihre Kinder in ihrem Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit leiten sollen. Das scheint mir eine schöne Aufgabe. Ich nehme mein Kind an der Hand. Manchmal lenke ich und manchmal gehe ich mit. Dieser Artikel macht mir klar, dass auch mein Kind das Recht auf diese Freiheit hat, so wie ich selbst.

Darum gibt es für mich eine wichtige Grenze. Was mir wichtig ist in der Erziehung und ich durchsetze möchte, begründe ich nicht mit der Autorität Gottes. Dafür muss ich schon selbst hinstehen. Ich lehre meine Kinder nicht, dass sie Vater und Mutter ehren müssen, wie es eines der Gebote vorsieht, damit mir die Erziehung leichter fällt. Ich lehre sie die Suche nach Gott. Er ist einer, der sich immer wieder finden lässt. Und er ist einer, der selbst uns aufsucht. «Wo bist du Mensch?»

[1] vgl. 1 Mose 3.

Autor: Rico Bossard

Rico Bossard ist Mitarbeiter der VBG im Fachkreis Pädagogik und ausgebildeter Primarlehrer. Er ist verheiratet mit Martina. Sie sind Eltern von drei Kindern im Alter von 11 und 8 Jahren.

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