Beziehung leben – Grenzen wahren

«Was darf ich denn noch? Als Mann stehe ich unter Generalverdacht!» Solche Aussagen begegnen mir in Präventionsschulungen immer wieder. Aus Unsicherheit gehen viele auf Distanz. Gefragt wäre eine professionelle Nähe unabhängig von Geschlecht oder sexueller Ausrichtung. Was ist dazu nötig?

Meine Grenzen sind nicht deine Grenzen: Wo wir – bewusst oder unbewusst – eigenes Befinden, eigene Ansprüche oder das eigene Wohl über die Bedürfnisse anderer stellen, kommt es zu Grenzverletzungen. Kann mein Gegenüber über die eigenen Grenzen nicht selber bestimmen, missbrauche ich in dieser Situation meine Macht und verletze die Grenzen meines Gegenübers.

Ich kenne nur meine eigenen Grenzen. Die Grenzen anderer muss ich erfragen. Sie sind abhängig von Kultur und Biografie meines Gegenübers. Besonders in Abhängigkeitsverhältnissen ist ein «Ja» noch lange keine Zustimmung: Kann die Person die Konsequenzen wirklich abschätzen? Weiss sie, worum es genau geht? Schweigt sie aus Respekt? Oder aus Angst?

Festgelegte und allseits bekannte Standards von Organisationen sind wichtige Bausteine im Umgang miteinander. Sie entbinden uns jedoch nicht davon, Verantwortung für das eigene Handeln andern gegenüber zu übernehmen.

Würdevoll und wertschätzend nach dem Vorbild Jesus
Eine bedingungslose positive Wertschätzung ist die unverzichtbare Grundhaltung gegenüber allen Menschen. Das beinhaltet, eine Person vorbehaltlos mit allen Facetten anzunehmen. Diese Sätze benennen die Basis der klientenorientierten Psychotherapie.

Wertschätzung wird durch Lob, Geschenke, Boni oder respektvollen Umgang ausgedrückt. Das ist jedoch nur wie die schön gestaltete Fassade eines Hauses. Erst wenn ich im Haus Gastfreundschaft, Anteilnahme und Interesse an meiner Person erfahre, stellt sich ein Gefühl des Willkommenseins ein. Wertschätzung bezieht sich auch nicht nur auf äussere Merkmale wie Verhalten, Leistung oder Sympathie. Eine Person als Ganzes wertzuschätzen, lernen wir bei Jesus. Seine Grundliebe nimmt an, mit allen Facetten, ohne Wenn und Aber. Er anerkennt die Besonderheit, die Einmaligkeit jeder Person, gleich welchen Alters, welcher Herkunft, welchen Berufs, welchen Geschlechts.

Offene Augen und gegenseitige Unterstützung
«Alle Menschen werden unabhängig von ihrer sexuellen Ausrichtung und Entwicklung willkommen geheissen und erfahren kompromisslose Wertschätzung. Kirchen sind Orte, an denen Menschen Sicherheit und Vertrauen erfahren und vor Grenzverletzungen und Übergriffen geschützt sind.» Das sind Sätze aus der Charta, die an der Startkonferenz des Netzwerks «Gemeinsam gegen Grenzverletzung» verabschiedet werden soll. Ein hohes Ziel, dem wir miteinander immer näherkommen wollen. Deshalb sorgen wir für Klarheit und Transparenz im Umgang miteinander und begegnen allen mit Offenheit und Wertschätzung.

Menschen brauchen Nähe und Liebe. Das zu vermitteln, ist eine Kernkompetenz von uns Christen. Menschen können sich jedoch nur sicher fühlen, wenn ihre Grenzen gewahrt werden. Die Kirchen haben da oft weggeschaut, haben zugelassen, dass Grenzen überschritten wurden, Menschen die Würde genommen wurde und ihnen Unrecht geschehen ist. Nun ist es an uns, dies in Zukunft zu verhindern.

Autorin: Natascha Bertschinger

Datum
Uhrzeit
Ort
Webseite
Preis
Anmeldefrist