Als die SEA «beim Bundesrathe» vorsprach

Burka-Verbot, Homo-«Umpolung» und der säkulare Mensch: Die Schweizerische Evangelische Allianz SEA wich Diskussionen nie aus, vermied aber eifernde Ausfälligkeiten. Dies zeigt ein Blick in die Berichterstattung über die SEA gemäss der Schweizerischen Mediendatenbank.

In jüngerer Zeit äusserte sich die SEA oft zu gesellschaftspolitischen Themen. So sprach sie sich 2021 gegen die «Ehe für alle» aus, währenddessen die Vorlage in der Gesellschaft bis in Landeskirchen und konfessionelle Parteien auf Wohlwollen stiess. Eher mit dem Mainstream positionierte sie sich beim Klimawandel. Sie postulierte 2021 eine «ethische Pflicht gegenüber den Nachkommen und der Schöpfung», das Klima zu schützen.

In der Flüchtlingskrise 2015, wie auch aktuell angesichts der Flüchtlinge aus der Ukraine, rief die SEA alle auf, Nächstenliebe zu praktizieren. Beim sogenannten Burka-Verbot konnte sich die SEA nicht zu einer Parole durchringen. Dies nicht aus Sympathie für die Vollverschleierung, sondern aus Furcht vor Verboten religiös begründeter Traditionen, die auch Christen treffen könnten.

Einen medialen Knaller lancierte SEA-Generalsekretär Marc Jost 2020, als er in der NZZ öffentlich machte, dass sein Vater in einer homosexuellen Beziehung lebt. Jost sagte, er liebe und ehre seinen Vater, auch wenn er dessen Lebensstil nicht gutheisse. Die Homosexualität kam immer wieder aufs Tapet, auch im Zusammenhang mit sogenannten «Konversionstherapien». Dabei wird die kirchliche und seelsorgerliche Begleitung von Menschen, die ihre homo- oder bisexuelle Orientierung als konflikthaft erleben, in den Medien meist als «Umpolung» (miss)verstanden. So titelte die «Sonntagszeitung» 2019: «Das elfte Gebot: du sollst nicht schwul sein».

Zuweilen gibt es auch Abgrenzungsbedarf innerhalb der «frommen» Szene. Zwar unterstützt die SEA den «Marsch fürs Läbe», der wegen seiner abtreibungskritischen Haltung 2018 in Bern und 2021 in Zürich von der Polizei vor Linksautonomen geschützt werden musste. Als Marsch-Präsident Daniel Regli in Bern eine Kundgebung gegen die Corona-Massnahmen anführte, war für die SEA «eine Grenze erreicht»: Regli sei als Marsch-Präsident nicht mehr tragbar.

Kritisch beurteilte die SEA 2014 eine Aids-Kampagne, deren Bebilderung sie als pornografisch empfand. Anstatt zu moralisieren, stellte sie dem in einer eigenen Kampagne Ehepaare entgegen, die öffentlich ihre Treue bezeugten.

Schützenhilfe für Heilsarmee

Einer der frühesten Artikel stammt von 1884. Die NZZ schrieb: «Nach dem Genfer Journal haben sich jüngst die Delegirten der Evangelischen Allianz in Lausanne versammelt und beschlossen, einen neuen Besuch beim Bundesrathe zu machen, damit derselbe ernstliche Schritte thue, um die Gewissens- und Religionsfreiheit, […], zu schützen.» Gemeint waren Schikanen gegen die seit 1882 in der Schweiz aktive Heilsarmee, ein SEA-Mitglied. Es gab damals das Begehren, den – erst 2011 gestrichenen – Jesuiten-Verbotsartikel in der Bundesverfassung auf Salutisten anzuwenden. Die SEA bat die Bundesbehörden, «dem unerhörten Begehren Widerstand [zu] leisten und die religiöse Freiheit in ihrer ganzen Integrität [zu] erhalten».

Auch für religiöse Minderheiten im Ausland setzte sich die SEA ein. Ihren «Aufruf zu Gunsten der verfolgten Armenier» veröffentlichte die NZZ 1896. «Das Waadtländer Komitee der Evangelischen Allianz (gegenwärtig auch Schweizerisches Centralkomitee) ist aufgefordert worden, sich an die öffentliche Meinung zu wenden zu Gunsten der unglücklichen Armenier, deren unsägliche Leiden zu verschiedenen Malen schon von der Presse aller gebildeten Länder erwähnt worden sind.» Dies war zwei Jahrzehnte vor dem eigentlichen Völkermord.

In der NZZ tauchten immer wieder Kurzmeldungen zu SEA-Versammlungen auf. Demnach war 1948 «Mr. Gooch» [Henry Martyn Gooch] in Winterthur anwesend, der Generalsekretär der internationalen Allianz. «Reverend Gooch» habe als Hauptaufgabe «die Gewinnung der Massen und der Einzelnen für Christus» genannt.

Was bewirkt Billy Graham?

1961 fand sich in der NZZ in einer bilderlosen Bleiwüste ein langer Artikel, für dessen Betitelung ein Redaktor im klickgetriebenen Online-Zeitalter gefeuert würde: «Die Kirche im Jahre 1960». Darin wurde die «Säkularisation» der Gesellschaft und des «modernen Menschen» festgestellt. Neuartige Methoden sollten dem entgegensteuern. «In Bern, Zürich, Basel und Lausanne fanden von der Evangelischen Allianz veranstaltete Grossevangelisationen des Amerikaners Billy Graham statt. Anschliessend wurde in Presse und Radio eine intensive Diskussion über den Wert religiöser Massenveranstaltungen geführt», resümierte die NZZ.

1969 besuchte Papst Paul VI. den Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf. Die Genfer Sektion der SEA plante laut NZZ eine «Demonstration […] gegen den Papstbesuch». Davon distanzierte sich die Führung der Genfer Landeskirche: Eine Kundgebung bedeute eine «Desavouierung des Ökumenischen Rates auf seiner Suche nach der Wahrheit».

15 Jahre später kam erneut ein Papst in die Schweiz. 1984 rollte der Bundesrat den Teppich für Johannes Paul II. aus. In einem Brief an die Landesregierung bemängelte die SEA laut Nachrichtenagentur SDA, der Papst rede so, «wie wenn er alle Christen vertreten würde, wo er doch nur die römisch-katholischen verpflichten kann». Allerdings verwerfe die SEA «jegliche Handlung, die nicht ehrerbietig wäre gegenüber dem Gast, den unsere katholischen Mitbürger empfangen». Anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 klärte die SEA ihr Verhältnis zur Ökumene und zur römisch-katholischen Kirche und begründete ihre Offenheit für vermehrte Zusammenarbeit.1

Eine Petition für «Mehr Wort Gottes an Radio und Fernsehen» lancierte die SEA ebenfalls 1984, denn diese Medien hätten «einen entscheidenden Einfluss auf das Denken und Handeln der Menschen». Der SEA missfiel, dass die von ihr mitveranstaltete Grossveranstaltung «Christustag 84» in Bern nicht im Fernsehen übertragen werden sollte.

Autor: Markus Dütschler

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